.











Schnellsuche im Bestand




 

2. Juni bis 23. Juli 2006

Zwei Entdeckungen


Der Bildhauer Robert Riehl (1924 bis 1976)
Skulpturen und Zeichnungen

Die frühen Bilder der Bildhauerin
Ingeborg Hunzinger (geboren 1915)


Vernissage
Donnerstag, den 1. Juni 2006, 19 Uhr
es spricht Dr. Hildegard Gräfe

Rubriken:
Intro l Biografie l Publikationen l Vernissage l Medienecho
Riehl  Plastik I
l Plastik II l Plastik III l Plastik IV l Zeichnung
Hunzinger  Bilder I
l Bilder II l Bilder III

Vernissage

 

weitere Rubriken zur Ausstellung: blättern

 

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 1. Juni 2006 von Dr. Hildegard Gräfe

Meine Damen und Herren, liebe Inge!

Entdeckungen! Entdeckungen sind häufig das Resultat einer Reise und ich lade Sie ein, mich auf meiner ganz persönlichen Entdeckungsfahrt zu einem fast vergessenen, unbekannten Künstler Robert Riehl und zu einer unbekannten Seite einer sehr wohl bekannten Künstlerin Ingeborg Hunzinger zu begleiten.
Der Anfang ist in Rahnsdorf, Fürstenwalder Allee. Seit Anfang der 80-ger Jahre, erst mit Ingeborg bekannt und dann befreundet, ist mir bei Besuchen Kleinplastik aufgefallen, die mich sehr angerührt hat. Ein zartes Kinderköpfchen, liebenswerte Frauenfiguren, und anfänglich dachte ich, dass es frühe Arbeiten von Frau Hunzinger wären. Nun - Ingeborg kann einen sehr resolut korrigieren, mit .. »du hast ja keine Ahnung, das sind Arbeiten von Robert, von Robert Riehl, meinen verstorbenen Mann«, und damit war die Sache erst mal klargestellt. Im Laufe der Zeit kam dann die Frage ... »warum tust du eigentlich nichts für ihn, er gefällt dir doch so ... «. Und da ich, als Ärztin, wirklich keine Ahnung hatte, insbesondere auch keine Ahnung was auf mich zukommt, habe ich mich mit Empfehlungen von Inge in der Tasche - und wie ich heute weiß auch relativ blauäugig - auf die Suche nach diesem fast Vergessenen, einer schillernden aber auch zwiespältigen Person gemacht.

Erste Akteneinsicht – Akademie der Künste Berlin und dann auch München. Ich treffe auf außerordentlich hilfsbereite, hilfswillige Mitarbeiter, meist Mitarbeiterinnen, die anfänglich durchaus etwas verwundert und überrascht sind - und diese Reaktion werde ich später auf meiner Erkundungstour regelmäßig antreffen –, die mir aber mit ihren Informationen Wege und Türen öffnen und mir vor allem auf ein gewisses Fundament des Vorgehens vermitteln können.
Ich erfahre, dass Riehl aus Viernheim bei Mannheim stammt, als junger Bursche bei Thorak in München Bildhauer lernt und nach Krieg und Zusammenbruch holt ihn Gustav Seitz an die neugegründete Akademie der Künste nach Ostberlin als Meisterschüler.
Seine Lockerheit, Respektlosigkeit, seine Genuss- und Kontaktfreude brachten ihm Freundschaft, auch mit der politischen und kulturellen Prominenz des Landes ein – er duzte Johannes R. Becher und war über den Sohn mit Otto Grotewohl, dem ersten Ministerpräsidenten des Landes befreundet. Es brachte ihm aber auch Missbilligung, und auch diese großen Verbindungen konnten ihn nicht retten, er fliegt von der Akademie. Zum gleichen Zeitpunkt erhält der geschasste Meisterschüler einen großen Auftrag für das in Entstehung begriffene Stalinstadt, heute Eisenhüttenstadt – vier Großplastiken für das dortige Theater bzw. die Magistrale – und dieser Auftrag endet in einem ebenso großen Debakel.
Stichwort – Formalismusdebatte in den 50-ger Jahren. Der Dr. Schönemann hat das so fein formuliert: »...damals war die Plastik nicht genug sozialistischer Realismus – ab mit ihr in die Ecke, und heute ist sie zuviel sozialistischer Realismus, wieder ab in die Ecke.« So ist das nun mal!
Folgenschwerer war für den Riehl aber ein schwerer Verkehrsunfall mit sowjetischen Militärfahrzeugen, der ein monatelanges Krankenlager mit bleibenden körperlichen Schäden, Invalidität nach sich zog. Die schwere Arbeit an monumentaler Plastik – seiner »großen Begabung« (Seitz) war fürderhin kaum noch möglich. Es blieb nur noch das kleine Format.
Er lebt dann, ausgestattet mit einer großzügigen Invalidenrente, mit der er nicht umzugehen wusste, als Bohemien und Künstler in Berlin und später ab Ende der 60-ger Jahre gemeinsam mit seiner Partnerin und Ehefrau Ingeborg Hunzinger in Skaby bei Friedersdorf in einem alten Gutsverwalterhaus im Wald. Und erst in den letzten Jahren in Skaby beginnt er wieder ernsthaft zu arbeiten. Leider sind ein Großteil dieser Entwürfe und Modelle unvollständig geblieben und da zum Teil aus Gips, dann auch über die Jahre dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen.

Die Geschichten von Riehl sind legendenhaft und abendfüllend. Sein Habitus ließ keinen Zweifel an der Profession aufkommen. Und wie Fritz Ritter sagte ... bogen sich die Stufen der Akademie vor Autorität, wenn der Robert die Treppe herab kam: wortgewaltig, unkonventionell, charmant und ungeheuer großzügig, der große schwergewichtige Mann mit dem schwarzen Bart - der Riese aus dem Märchen, aber vielleicht auch ein bisschen zum Fürchten, zumindest zeitweise. Der Riehl stirbt, nicht wie allgemein erwartet, an der Leberzirrhose, sondern an einem ganz ordinären Darmkrebs.

Seine Arbeiten – meist im Besitz von Freunden bzw. deren Nachkommen sind geschätzt und bewahrt, aber leider auch über ganz Deutschland zerstreut. Ich erfahre auf diesen Reisen viel Zustimmung und die Bereitschaft, die Erinnerung an ihn zu bewahren, aber auch vereinzelt Zurückhaltung und Ablehnung – warum gerade der, der hat sich doch nicht eingebracht, der hat doch nichts geleistet – und gerade diese ablehnenden Haltungen motivieren mich weiter zu machen – auch um das Bild des Robert Riehl ein wenig gerade zu rücken. Sicher war er nicht DER Jahrhundertbildhauer und er hat die großen Erwartungen, die vermutlich in ihn gesetzt waren, eher nicht erfüllt, aber er hat gewirkt und beeinflusst. Ich kenne z. Z. etwa 60 Plastiken und eine ganze Reihe von Zeichnungen, und die Nachforschungen gehen sicher weiter.

Auf der Suche nach Bildhauerzeichnungen von Riehl steigen wir in Inges Keller und fördern von ganz zuunterst eine bereits recht mitgenommen wirkende Mappe ans Tageslicht, deren Inhalt mich – salopp gesagt - einfach umhaut. Farbige Papierarbeiten von Ingeborg Hunzinger aus den 30-ger und 40-ger Jahren, von denen sie vermutlich selbst dachte, dass sie verloren gegangen wären. Diese Arbeiten stammen aus einer Zeit als Inge, damals noch Ingeborg Franck, Enkeltochter von Philipp Franck, nach Arbeits- und Berufsverbot Deutschland verlassen und auf Empfehlung der Familie nach Italien verschwinden musste. Halblegal und als Emigrantin. Sie trifft dort eine große Liebe, den Maler Helmut Ruhmer, und mit ihm zusammen entweicht sie bis in die Stiefelspitze, nach Sizilien. Dort finden beide eine Bleibe und arbeiten. Der Ruhmer fällt Ende des Krieges.
Und diese Mappe hat vermutlich 60 Jahre im Verborgenen geschlummert, um uns, Inge und mir, eine Sternstunde zu bereiten. Inge ist als Künstlerin, als Berliner Bildhauerin - anders als Robert Riehl - immer öffentlich wirksam gewesen. Die zahlreichen Arbeiten im öffentlichen Raum, die großen erzählerischen Reliefs, das ist fein dokumentiert und nachzulesen. Und als Bildhauerin zeichnet sie auch, aber diese aufgefundenen Blätter, die sie als »la bella grassa bionda« mit leichter Hand auf das Papier gehuscht hat, lassen erahnen, weshalb ihre Lehrer an der Kunstakademie meinten, sie solle das Fach Malerei belegen und sie gleich in das zweite Studienjahr stecken wollten. Und beide sind wir uns einig, das ist etwas, was man zeigen muss.

Und es gab den glücklichen Umstand – wie die gesamte Recherche unter einem ausgesprochen glücklichen Stern stand! –, dass das Museum Eisenhüttenstadt, allen voran Frau Schletzke und Herr Preuß, mir gleich zu Anfang der Nachforschungen, bereits um 2000, signalisierten, dass die Möglichkeit einer Riehl-Ausstellung bestünde und dass die vor gut zweieinhalb Jahren geäußerte Idee einer Doppelausstellung Riehl/Hunzinger auf fruchtbaren Boden fiel und in diesem Frühjahr realisiert werden konnte.
Und dass es nicht nur eine Doppelausstellung sondern sogar eine gedoppelte werden konnte, verdanken wir dem Dr. Karger, der in Eisenhüttestadt so begeistert war, insbesondere von den unbekannten Aquarellen, dass er diese feine Schau nahezu komplett nach Berlin geholt hat.
Noch ein Wort zu Robert Riehl. Auch wenn Werner Stötzer völlig zu Recht sagt:
»Riehl war als Meisterschüler bei Gustav Seitz, das war zu der Zeit ein Privileg. Leider nutzte er es nicht. Er küsste zuviel und spielte noch höher«, so stehen wir doch heute vor dem Wunder, dass sogar eine Art Retrospektive mit Katalog zustande gekommen ist und dass der Riehl wahrscheinlich nicht wieder ganz in der Versenkung verschwinden wird.
Und bevor ich sie nun zu Ihren eigenen Entdeckungen in die schöne Galerie hier am Gendarmenmarkt entlasse, gestatten Sie noch zwei Bemerkungen zum Schluss:
Auch wenn ich gelegentlich mit »... da kommt ja die Frau Riehl« begrüßt werde – ich bin nicht mit Robert Riehl verwandt und ich bin auch nicht seine Tochter.
Und ohne die Mitarbeit so vieler, insbesondere von Ingeborg Hunzinger und dem Dr. Jens Semrau, der das ganze von mir zusammengewuselte Material gesichtet, gewertet und geordnet hat und mir über die Zeit auch ein Freund geworden ist, wäre der heutige Abend nicht möglich. Ich sage DANKE. Und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

weitere Rubriken zur Ausstellung: blättern

 

 

Ausstellungen

Kunsthandel l Erweiterte Suche  l Konditionen

Consulting

Startseite

aktuell l bisher l Medienecho

Grafik  Malerei  Plastik  l  Zeichnung  l  Künstler

Konzepte l Vermittlung

Impressum

 

 

 

Für die Inhalte verlinkter Internet-Präsenzen sind deren Anbieter verantwortlich, nicht die Inhaber der Galerie oder der Galerist. Gestaltung der Internet-Präsenz und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne Genehmigung nicht verwendet werden. Abbildungen: Dr. Hermann Büchner, Berlin - Porträt Robert Riehl: Frank Müller, Porträt Ingeborg Hunzinger: Peter Paul Hennicke  © 2006 All rights reserved