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Weitere Abbildungen zur Ausstellung vom 23. April bis 6. Juni 2004

 

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Kopf Fado VI, 2004
50 x 35 cm
Mischtechnik auf Papier
650 €

Phantom V, 2003
48 x 32 cm
Mischtechnik auf Papier
800 €

Phantom III, 2003
48 x 32 cm
Mischtechnik auf Papier
850 €

Phantom I, 2003
48 x 32 cm
Mischtechnik auf Papier
800 €

 
Rede von Barry McDaniel zur Ausstellungseröffnung am 22. April 2004

Meine Damen und Herren, liebe Freunde von Egon, lieber Egon!

Man kann es fast nicht glauben. Egon wird 65.
Mir scheint er noch so jung wie am ersten Tag unserer Freundschaft vor 12 Jahren. Und nun stehen wir hier in den Räumen der Galerie am Wasserturm, umgeben von wunderbaren Arbeiten und Zeichnungen, und feiern unseren Freund.
Wo soll man aber anfangen, über ihn zu reden und über welchen Egon überhaupt. Er hat so viele Facetten wie ein Brillant, so farbig und so schillernd.
Es gibt einen Egon, der vielleicht die größte Fantasie besitzt, die ich bisher in meinem Leben erlebt habe. Diese Fantasie zeigt sich nicht nur in seinen fertigen Arbeiten, sondern auch in seiner unbändigen Freude am Experimentieren, am ruhe-losen Suchen nach Neuem.

Es gibt den extrovertierten Egon, der einen ganzen Saal unterhalten kann, oft bis zum Exzess. Die ganze Nacht durchtanzen? Für ihn eine Kleinigkeit, am liebsten kostümiert, je toller desto besser.
Dazu gibt es den wirklich „funkelnden“ Egon, denn Goldschmiedmeister ist er auch! Sein Schmuck ziert heute Abend viele von Ihnen, auch meine Töchter.
Seine Arbeiten zeigen die gleiche Fantasie wie seine Keramik, ob Ägyptisches Blau, Gold, Silber oder Edelsteine.
Und dann gibt es der stille, ernsthafte Künstler Egon: Der Einsiedler! - unsicher, zurückgezogen und introvertiert.
Um Kunst, wie wir sie verstehen, zu schaffen, mnuß man gerade diese Eigenschaften besitzen und das tut er im hohen Maße. Sie machen das Leben aber nicht leichter, weder für ihn selbst, noch für seine Umgebung.
Da ist aber auch ein ganz anderer Egon, für viele ein Unbekannter, der vom Staat verfolgt wurde, der terrorisiert, eingesperrt und erpresst wurde, der von sogenannten Freunden ausspioniert wurde, dessen Stücke aus Museen verbannt wurden und dessen Stasi-Akte am Schluß über 30 cm dick war. Drin stand am Schluß der lapidare Satz: „Unbrauchbar für unsere Zwecke“. Da hatten sie wohl einmal wirklich recht.

Wie wird man aber mit solchen Demütigungen fertig? Ich bin nicht sicher, ob ich es geschafft hätte. Egon hat es. Dank seines unglaublichen Lebenswillens und diesem fast kindlichen Glauben an das Gute im Menschen, hat er das alles hinter sich gelassen, allen schweren Narben zum Trotz. Er ließ sich einfach nicht die Freude am Leben nehmen. Punkt!
Dieser liebenswerte Egon steht heute Abend etwas schüchtern und aufgeregt in unserer Mitte: der Freund, oft etwas hilflos, doch treu und ungeniert. Dem einen oder anderen mag sein Optimismus, dieser Wille, nur das Positive in Menschen zu sehen, nicht mehr zeitgemäß erscheinen, doch für mich ist dies ein großes Geschenk, nicht nur für ihn selber, auch für uns, die ihn lieben. Für mich verkörpert Egon vieles von dem, was in der heutigen Zeit verloren gegangen ist.
Er hat als Mensch und auch als Künstler etwas Unschuldiges, etwas Reines, etwas Naives in seinem Wesen bewahren können. Und das trotz seiner unglaublichen Lebensgeschichte.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Egons - nicht alle sind jugendfrei - doch wir wollen hier und heute über den Egon sprechen, der diese Kunstwerke schuf, der Künstler Egon, der die Geschichte der Ost-Keramik tief beeinflusst hat.

Bitte erlauben Sie, dass ich ein wenig über meine erste Begegnung mit ihm spreche. Ich traf Egon zum ersten Mal in 1992. Meine Tochter Claudia erzählte mir von einem Keramiker aus Stahnsdorf, einem verrückten Kerl mit roten Schuhen, mit dem sie so unendlich viel Spaß und Freude beim Aufbau einer Ausstellung in Frechen gehabt hatte. Ich müsse ihn unbedingt kennen lernen und besuchen. Sie gab mir seine Telefonnummer und ich rief an. Er freute sich, glaube ich, und Claudia und ich fuhren hin, da sie gerade zur Weihnachtsfest in Berlin war. Die von Ihnen, die sein Haus, seine Lebensart kennen, brauche ich nicht zu sagen, was uns dort erwartete.
Ein kleines Schlößchen, könnte man fast sagen, in 1992 noch voll mit Kunst - seiner Kunst - bis unters Dach! Heute sind seine Stücke aus dieser Zeit rarer geworden, da sie ihren Weg in Sammlungen und Museen gefunden haben. Das Haus selber passte damals und heute genau zu ihm, verrückt herrlich, ein Sammelsurium von Bauteilen von den Filmstudios in Babelsberg, Steine vom Friedhof nebenan, und sogar, wie ihm der Bauherr des Hauses versichert hat, Säulen aus dem Reichskanzlei. Er hat das Haus nicht gebaut, doch es passt so genau zu ihm, man käme nie auf den Gedanken, dass er es nicht selber geschaffen hat.
Er zeigte uns das ganze Haus. Oben war es kalt und ungemütlich, doch seine Arbeiten, die da überall lagen und standen, haben uns den Winter vergessen lassen. Über die folgenden Monate habe ich sie alle kennen gelernt, immer wieder angeschaut, auswendig gelernt, könnte man fast sagen, und meine Sammlerlust wurde mit einem Schlag geweckt, ja ich kriegte dieses Kribbeln, das alle Sammler kennen. Ich wußte sofort, mit dieser Kunst wollte, könnte und mnußte ich leben.

Heute stehen um die 50 seine Stücke bei mir zu Hause in Schlachtensee. Trotz Schnörkeln und oft ausufernder Fantasie besitzen die Stücke für mich diese Reinheit, von dem ich vorhin gesprochen habe.
Kopfschütteln begleiteten oft genug seine Schöpfungen. „Was soll das schon wieder sein? Oh, Egon, warum ausgerechnet Lila?!“ Doch siehe da, diese farbigen Lichter gingen dann plötzlich in den Köpfen der Betrachter an und ein Lächeln war die Folge. Hier, finde ich, ist eine Parallele zur Bühne: Etwas Leichtes und Spielerisches ist viel schwerer darzustellen als ein Drama. Das geringste Unechte wird augenblicklich, oft unbewusst, vom Publikum oder Betrachter erkannt und abgelehnt. Unecht kann Egon aber niemals sein. Egon ist und bleibt Egon!

Seine Worte damals werde ich nie vergessen: „Ton mnuß Ton bleiben!“ Er gebrauchte damals fast ausschließlich hochgebrannten, mehrfarbigen, rohen Ton, mit matten, schwarzen Glasuren, dann plötzlich ein farbiger, glänzender Moment oder sogar ein aufgeklebtes Glasauge. Keine Spur von Routine, von Wiederholungen.
Er sammelte damals wie heute alles was ihn interessiert, auf der Strasse, auf dem Friedhof, auf Schrottplätzen, wo auch immer. Er fasst diese Stücke zu Collagen zusammen, immer beflügelt von seinem Gefühl und Gespür für Form und Farbe.

Letzte Woche, als wir durch seinen Garten ging, fiel mir plötzlich etwas kleines und weißes auf, dass an einer diesen großen Collagen angelehnt war. Es war schon so viel von der Natur eingenommen, dass ich nicht sehen konnte, was es überhaupt war. Doch siehe da, es war ein Bisquit-Porcelain-Engelchen, zerbrochen und irgendwann von jemand weggeworfen worden, mit nur einem Flügel, und ohne Kopf. Egon hat es gefunden und durch ihn bekam es ein neues Gesicht. Wunderschön. Er hatte es schon völlig vergessen. Man kann es hier anschauen. Doch leider ist es schon gepunktet, es geht nach Schlachtensee.

Irgendwann fand er einen kleinen, weißen, weggeworfene Grabstein von einem früh verstorbenen Menschen. Nun liegt dieser Stein inmitten des Gehwegs vor seinem Haus. Er fällt besonders auf, weil er als einziger so ordentlich und sorgfältig verlegt ist. Der vor Jahrzehnten verstorbene Mensch ist nicht vergessen. Sein Name wird fast täglich von Egon oder von einem seiner vielen Freunden gelesen und somit ein Teil von Egons kleiner, verzauberter Welt geworden.

Diese Liebe auch für den kleinsten und unscheinbarsten Moment der Schönheit führte ihn damals wie heute auf unerwartete Wege. Doch, wie unsere unvergessene Gertraud Möhwald vor einigen Jahren sagte: „Es zieht sich bis heute durch Egons Arbeiten eine Spur, die alles irgendwie wieder zusammen führt und verbindet“. Man denkt: So was kann nur von Egon kommen.

Eine bekannte Sängerin, die Sopranisten Erika Köth, sie lebt lange nicht mehr, sagte mir einmal, „Wenn ich eine Stimme nach 5 Sekunden nicht erkenne, ist sie 2. Wahl!“. So ist es auch, meine Meinung nach, in der Keramik. Egons Arbeiten werden in weniger als fünf Sekunden erkannt. Und singen mnuß er, Gott sei Dank, auch nicht. Lieber Klavier spielen.

Wie Sie merken, ist diese Ausstellung seinen „Köpfen“ gewidmet. Für uns kehrt er für eine Weile zurück zum reinen Ton. In dem schönen Katalog kann man sehen, welche lange, aufregende Entwicklung er hinter sich hat. Man weiß nicht, wo man anfangen soll, diese neuen Stücke zu beschreiben, so unterschiedlich sind sie. Dabei gehen viele von des selben Grundform aus. Der Musiker sagt: Ein Thema mit Variationen.

Gleiche Form: unterschiedliche Glasuren, Engoben und Schmuck. Kein Kopf gleicht dem anderen. Köpfe mit Haarputz, denen Egon zerschnittene Tellerfahnen aufgesetzt hat. Beim Anblick dieser Stücke fühlen wir uns sofort nach Spanien versetzt!
Jeder Kopf erzählt seine eigene Geschichte: lustige, traurige – auch frivole – doch nie verzweifelte oder depressive.
Er lässt seine Köpfe von großartigen, beeindruckenden Zeichnungen und Vorstudien begleiten. Einige sind von großer Zartheit, das Gesicht wieder von großen Augen beherrscht, die den Betrachter erstaunt anschauen. Andere, Farbigere, sind dramatischer, doch immer noch diese sanfte Augen.

Merkwürdig, habe ich mir gedacht. Sie sind mir gar nicht fremd. Wo habe ich sie schon gesehen. Ja, natürlich, es sind die Augen von Egon selber, diese klare, unschuldigen Augen, die wir alle kennen. Schauen Sie mal genau hin, ich glaube, ich habe recht.

Wir sind jetzt viele Jahre Freunde und ich beneide die von Ihnen, die das Glück haben, ihn länger zu kennen. Durch ihn habe ich die anderen großen Keramik-Künstler aus den Neuen Ländern kennen gelernt und dort, besonders in Halle, fand ich meine „keramische Heimat“. Darauf hin entstand meine kleine Sammlung. Ich verdanke Egon sehr viel und danke ihm von Herzen.

Ich fühle mich wohl in seinem Heim und mit ihm, besonders wenn wir allein sind und er ruhig von sich, seinem Leben und seiner Kunst erzählen kann. Im Gespräch offenbart er diese Tiefe nicht jedem, doch in seinen Arbeiten ist sie allgegenwärtig. Ich bin stolz sein Vertrauen zu genießen und vor allem, sein Freund zu sein.

Daher kann ich aus tiefstem Herzen sagen, Egon, ich wünsche Dir alles Gute zum Geburtstag und danke Dir für diese unvergesslich schöne Ausstellung und auch für den gelungenen Katalog. Er wird uns immer an diesen besonderen Abend erinnern!

Vielen Dank!

 

 

Kopf Dimka, 1998/99
H: 19 cm Quarzmasse
Ägyptisch-Blau, Gold
3 500 €

YES SIR!, 2000
H: 48 cm frei modelliert, Glasurtechnik
mit Bemalung
2 800 €

HW, 1998/99
H: 45 cm Quarzmasse
Ägyptisch-Blau, Gold
3 500 €

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Kopflust I, 2002
H: 42 cm frei modelliert, Schamott-Ton
Mangan, Kupfer, bemalt
1 200 €

Hals über Kopf, 2003/04
H: 37 cm frei modelliert, Schamott-Ton
Glasur, farbige Oxyde
1 800 €

Kopflust II, 2002
H: 32 cm frei modelliert, Schamott-Ton
bemalt
1 200 €

 

Extra: Egon Wrobel "von den Anfängen"...

 

[frühe Arbeiten von Egon Wrobel aus musealen Beständen, die in der Ausstellung nicht zu sehen sind, weitere Porträts]

 

 

 

1974

Relief, 1977
H: 35 cm, Ton gebaut, gezeichnet
Privatbesitz

1978

 

   

 

Belvedére, 1973
H: 65 cm, Tonplatten gebaut, farbige Glasur
Kunstgewerbemuseum Berlin

Kopf bis Fuß, 1976
H: 55 cm, Tonplatten gebaut
Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg

Punker, 1987
H: 43 cm, Drehteile verformt, Wulsttechnik
Privatbesitz

     

 1984, mit Hedwig Bollhagen

Torso G. M., 1969
H: 35 cm Ton, aufgebaut, weiße Glasur
Kunstgewerbemuseum Berlin

1992

 

 

 

 

 

Kopf Fado II, 2002
H: 41 cm Tonausformung, frei modelliert
Engoben, Oxyde
2 100 €

Relief, 1998
H: 55 cm farbige Tone
1 200 €

Kopflust III, 2002
H: 26 cm frei modelliert, Schamott-Ton
bemalt
900 €

 

Aufnahmen: Michael Nordus Studiochrome, Nesse
Archiv Egon Wrobel (Schwarzweiß-Abbildungen)

 

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